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Segmentiertes Gamma-Scanning

4.5 Herleitung der Transferfunktion nach Filß in offener Geometrie

Vorbemerkungen

Die nachfolgende ausführliche Herleitung folgt weitestgehend der Publikation von Peter Filß.

Als Behälter wird ein 200 l Fass angenommen. Die Herleitung kann aber auf beliebige andere zylindrische Objekte übertragen werden, für welche die zugehörigen Annahmen gelten.

img 1014 225 300

Die grundlegende Idee der Herleitung ist die Unterteilung des Behälters in kleine Volumenelemente ΔV (sogenannte Voxel). Für jedes dieser nichtüberlappenden, das gesamte Volumen des Behälters einnehmenden Voxeln wird dessen Beitrag zur Zählrate im Detektor bestimmt und alle Beiträge aufsummiert. Ein wesentlicher Punkt ist die Durchführung eines Grenzübergangs von einem endlichen zu einem infinitesimal kleinen Voxelvolumen.

Anmerkung:
Dieser Grenzübergang ist gleichbedeutend mit einer unendlichen Zunahme der Anzahl an Voxeln, damit weiterhin das gesamte Behältervolumen abgedeckt bleibt.

Für die Herleitung wird der Detektor zunächst als punktförmig angenommen. Eine ebenfalls punktförmig angenommene Kalibrationsquelle wird an der Außenseite der Oberfläche des Behälters auf halber Höhe befestigt. Der Detektor befindet sich in der gleichen Höhe im Abstand S von der Kalibrationsquelle.

Anmerkungen:
  • Diese Anordnung entspricht auch der Anordnung der eigentlichen Messung (der Detektor befindet sich auf halber Höhe des zylindrischen Behälters).
  • Der Abstand zwischen der auf halber Höhe des Behälters befestigten Quelle und dem Detektor ist minimal.

Um den punktförmigen Detektor kann nun eine Kugel mit dem Radius S gelegt werden (rote Kreise in nachfolgenden Abbildungen). Dieser Radius entspricht dem Abstand der Kalibrationsquelle vom Detektor und wird für die Bestimmung der Detektoreffizienz genutzt. Hierbei wird ausgenutzt, dass ein punktförmiger Detektor als quasi-sphärischer Detektor aufgefasst werden kann. Dies bedeutet, dass die Effektivität für den Nachweis aller Photonen der Energie E, die von einem beliebigen Punkt der Kugeloberfläche ausgehend auf den Detektor treffen, gleich ist.

Fig 002a Kalibration

Anmerkung:
In der Regel haben Detektorkristalle meist eine zylindrische Form, die von der Annahme eines punktförmigen Detektors abweicht. Die Detektoreffektivität ist folglich auf der Kugeloberfläche nicht konstant.

Für jeden beliebigen Punkt im Behälter geht die Verbindungslinie zwischen diesem Punkt und dem Detektor durch den Bereich F0 auf der Kugeloberfläche. Die Abmessungen von F0 werden durch den Abstand S sowie die Höhe h und die Breite (2r) des Behälters bestimmt.


Fig 003 anim Kallibration neu 150


Der Bereich F0 ist in den Abbildungen jeweils durch blaue Linien markiert. Die Fläche F0 wird nun abdeckend in sich nicht überlappende Flächenelemente ΔF unterteilt. Die Gesamtheit aller vom Detektor durch das Flächenelement ΔF verlaufenden Linien schneiden ein Teilvolumen im Behälter aus, der in den Abbildungen als grau markierte Flächen dargestellt ist. Photonen, die von Radionukliden, die sich in diesem Teilvolumen befinden, in Richtung auf den Detektor ausgesandt werden, müssen folglich durch diese Fläche ΔF gehen.

Anmerkung:
Streueffekte müssen in dieser Herleitung nicht berücksichtigt werden, da diese im Allgemeinen mit einem Energieverlust der Photonen verbunden sind. Für die Aktivitätsbestimmung eines Radionuklids werden nur die entsprechenden Informationen aus den Photopeaks genutzt, die nur Beiträge von Photonen enthalten, die keinen Energieverlust auf ihrem Weg zum Detektor erlitten haben.

Der (punktförmige) Detektor und das Flächenelement ΔF definieren einen Kegel, dessen Querschnittsfläche quadratisch mit dem Abstand vom Detektor zunimmt. Der Öffnungswinkel dieses Kegels ist durch die Querschnittsfläche ΔF bestimmt.

Die Anwendung des Abstandgesetzes (1/r2-Gesetz) ergibt für den Zusammenhang der Größe des Flächenelements ΔF im Abstand S vom Detektor und dem Flächenelements ΔF1 in einem beliebigen Abstand S1

\[ \frac{\Delta F}{S^2}=\frac{\Delta F_1}{S^2_1} \]


Fig 004 neu 150


Der Abstand S1 des Flächenelements ΔF1 vom Detektor ist gegenüber dem Abstand S des Flächenelements ΔF um die Abstände zw und x verlängert. zw ist der Abstand zwischen dem Zentrum des auf der Kugeloberfläche liegenden Flächenelements ΔF und der Behälteroberfläche. Die Größe x beschreibt die Tiefe, in der sich das Flächenelements ΔF1 im Behälter befindet, d. h. wie weit diese Fläche von der Behälteroberfläche entfernt ist. Alle Abstände beziehen sich jeweils auf die Verbindungslinie des Detektors zum Punkt B, der den Schnittpunkt der Verbindungslinie mit der Behälterwand an der dem Detektor gegenüberliegenden Seite des Behälters beschreibt.


Fig 005 neu 150


Die Größe eines Flächenelements ∆Fx an einer beliebigen Position x im Behälter entlang der Verbindungslinie zwischen Detektor und Punkt B bestimmt sich somit zu

\[ \Delta F_x = \Delta F \cdot \left(\frac{S + z_w + x}{S} \right)^2 \]

Jedes einzelne dieser Flächenelemente ∆Fx entlang der Verbindungslinie im Behälter trägt zur Zählrate Z bei, die vom Detektor gemessen wird. Für eine homogene Aktivitätskonzentration CA im Behälter (Einheit Bq∙cm-3), die eine der Annahmen der Herleitung ist, hängt der Beitrag eines Flächenelements ∆Fx zur Zählrate ∆Zx von folgenden Größen ab:

  • der Emissionswahrscheinlichkeit η der betrachteten Gamma-Linie der Energie E,
  • der Effektivität ε(E) des Detektors für den Nachweis eines Photons der Energie E und
  • vom Abstand des Flächenelements ∆Fx vom Detektor (siehe voranstehende Gleichung).

Hiermit ergibt sich für den Beitrag eines Volumenelements ∆V(x) = ∆Fx · ∆x zur Zählrate ∆Zx der folgende Zusammenhang:

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \left( \frac{S}{S + z_w + x} \right) ^2 \cdot \Delta F_x \cdot \Delta x \]


Fig 006 neu 150


Bislang wurde die Auswirkung der Schwächung der Photonen auf dem Weg vom Flächenelement ∆Fx zum Detektor und dem daraus resultierenden reduzierten Beitrag von ∆Zx zur Zählrate Z noch nicht berücksichtigt.

Für die Strecke innerhalb des Behälters, d. h. in der Matrix (z. B. dem Abfallprodukt), kann die Schwächung durch den Faktor exp(-μx) berücksichtigt werden. μ ist der material- und energieabhängige lineare Schwächungskoeffizient für das Matrixmaterial. Dessen Werte können bei bekannter Materialzusammensetzung aus Datenbanken entnommen werden.

Eine weitere Schwächung erfolgt beim Durchgang durch die Behälterwand. Diese kann ebenfalls durch den Faktor exp(-μw⋅w*) berücksichtigt werden. μw ist hier der lineare Schwächungskoeffizient des Wandmaterials und w* die mittlere Wanddicke. Da die Strahlung in der Regel nicht senkrecht, sondern schräg durch die Behälterwand verläuft, wird dies durch eine mittlere Wanddicke berücksichtigt, die für 200 L Fässer ca. 1,25-mal der tatsächlichen Wanddicke w entspricht.

Anmerkung:
In der Herleitung wird ein einfacher zylindrischer Behälter unterstellt, wie beispielsweise ein 200 L Fass. Die Herleitung kann aber auch auf zylindrische Behälter mit weiteren zylindrischen Innenbehältern oder zylindrischen Abschirmschichten erweitert werden. In diesem Fall müssen aber die Werte für µ und w* entsprechend angepasst werden.

Aus historischen Gründen wird dieser Beitrag zur Schwächung durch den mittleren Abschirmfaktor K2 in nachfolgender Schreibweise beschrieben

\[ K_2 = \exp(\mu_w \cdot w^*) = \frac{1}{\exp(-\mu \cdot w^*)} \]

Zusammengefasst ergibt sich somit für den Beitrag des Volumenelements ∆V(x) = ∆Fx⋅∆x zur Zählrate ∆Zx

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \exp(-\mu \cdot x) \cdot \left( \frac{S}{S + z_w + x} \right) ^2 \cdot \Delta F_x \cdot \Delta x \]

Die Gesamtzählrate ∆Z kann durch das Aufsummieren aller Werte von ∆Zx entlang des Weges von einer Behälterwand zur gegenüberliegenden berechnet werden. x nimmt hier alle Werte zwischen 0 und dem Abstand zum jeweiligen Punkt B an.

Für infinitesimal dünne Volumenelemente ∆V(x) kann die Summation durch eine Integration über alle Werte von x ersetzt werden

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \int_0 ^B \exp(-\mu \cdot x) \cdot \left( \frac{S}{S + z_w + x} \right) ^2 \cdot \Delta F_x \cdot dx \]

Berücksichtigung der Beziehung zwischen ∆Fx und ∆F ergibt

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \int_0 ^B \exp(-\mu \cdot x) \cdot \left( \frac{S \cdot (S + z_w + x)}{S \cdot (S + z_w + x)} \right) ^2 \cdot \Delta F \cdot dx \]

und nach Kürzen und Vorziehen des Flächenelements ∆F vor das Integral

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \Delta F \cdot \int_0 ^B \exp(-\mu \cdot x) \cdot dx \]

Die analytische Lösung des Integrals ergibt

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot C_A \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \Delta F \cdot \frac{1}{\mu} \cdot \left[1- \exp(-\mu \cdot B) \right] \]

Wird die Aktivitätskonzentration CA durch die spezifische Aktivität a und die Dichte ρ ausgedrückt

\[ C_A = a\cdot \rho \]

ergibt sich der Beitrag ∆Z aus dem gesamten hinter ∆F liegenden Volumen zur Zählrate Z zu

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot a \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \Delta F \cdot \frac{\rho}{\mu} \cdot \left[1- \exp(-\mu \cdot B) \right] \]

Die Gesamtzählrate Z ergibt sich dann durch Summation der Beiträge aller Flächenelemente ∆F auf F0. Da auch hier wieder der Grenzübergang zu infinitesimal kleinen Flächenelementen durchgeführt wird, kann die Summation ebenfalls durch eine Integration über die gesamte Fläche F0 ersetzt werden. Diese beschreibt die Fläche der Abbildung des Behälters auf die Kugeloberfläche mit Radius S um den (punktförmigen) Detektor.

\[ Z = \int_{F_0} \Delta Z \]

bzw.

\[ \Delta Z_x = \epsilon \cdot \eta \cdot a \cdot \frac{1}{K_2} \cdot \frac{\rho}{\mu} \cdot \int_{F_0} \left[1- \exp(-\mu \cdot B) \right] dF \]

Die Integration kann nicht analytisch durchgeführt werden, d. h. es existiert keine formelmäßige Beschreibung des Ergebnisses der Integration. Abhängig vom Abstand des Fasses vom Detektor (d. h. der Größe S) und dem Wert von [1 - exp(-μ ⋅ B)] kann die Integration entweder durch Näherungsannahmen durchgeführt oder muss numerisch berechnet werden.