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Segmentiertes Gamma-Scanning

3. Messverfahren

Unter dem Oberbegriff segmentiertes Gamma-Scanning (SGS) werden alle Gamma-spektrometrischen Verfahren zusammengefasst, welche ein Messobjekt in irgendeiner Art und Weise „abscannen“, d. h. Gamma-spektrometrische Messungen an verschiedenen Positionen des Messobjekts durchführen und die jeweils gemessenen Gamma-Spektren für eine anschließende Auswertung speichern.

Für die Gamma-spektrometrische Charakterisierung von Behältern aus kerntechnischen Anlagen haben sich die folgenden beiden Messverfahren etabliert

deren jeweiligen Anwendungsbereiche und Grenzen nachfolgend skizziert werden.

Gamma-Messung in offener Geometrie

Schematische Darstellung einer Gamma-Messung in offener Geometrie
Schematische Darstellung einer Gamma-Messung in offener Geometrie

Die Messung in der sogenannten offenen Geometrie ist eine sehr einfache und schnelle Methode zur Bestimmung der Aktivitäten von Gamma-strahlenden Nukliden in Behältern, wie z. B. Abfallgebinden. Hierfür wird ein Strahlungsdetektor (z. B. ein Germanium-Detektor) auf halber Höhe des Behälters positioniert. Der Abstand zwischen dem Detektor und dem Behälter ist so zu wählen, dass der Detektor den ganzen Behälter „sieht“, d. h. prinzipiell Gamma-Strahlung aus jedem Bereich des Behälters in den Detektor gelangen kann.

Anmerkung:
Eine zusätzliche Abschirmung um den Detektor oder die Verwendung eines Kollimators mit großem Öffnungswinkel, der die „Sicht“ auf das Messobjekt beschränkt, kann die ungewünschten Beiträge zum gemessenen Gamma-Spektrum aus der Umgebung minimieren.

Die Auswertung des gemessenen Gamma-Spektrums ermöglicht dann eine Identifikation der im Gebinde enthaltenen Nuklide (qualitative Auswertung) sowie die Berechnung der entsprechenden Aktivitäten (quantitative Auswertung).

Die Quantifizierung basiert auf der Proportionalität der gemessenen Zählrate Z ( = Nettopeakfläche / live time) eines charakteristischen Peaks mit der Aktivität A des Radionuklids

\[ A \sim Z = cal \cdot Z\]

Der Proportionalitätsfaktor cal, d. h. die Größe, mit der die Zählrate Z multipliziert werden muss um die Aktivität A zu erhalten, kann durch

bestimmt werden.

Eine korrekte quantitative Bestimmung der Aktivitäten setzt aber mehrere Bedingungen bezüglich des Inhalts des Behälters voraus:

Der Inhalt muss

  • den Behälter vollständig ausfüllen,
  • homogen sein (gilt für die Material und Aktivitätsverteilung) und
  • die Dichte und/oder Materialzusammensetzung im Behälter müssen bekannt sein.

Sind diese Bedingungen nicht gegeben, dann können die berechneten Aktivtäten im schlimmsten Fall um mehrere Größenordnungen von den tatsächlichen Werten abweichen!

Vor- und Nachteile einer Messung in offener Geometrie

Vorteile

  • geringe Anforderungen an des Messsystem (ein höhenverstellbares Detektorsystem ist ausreichend; zur Not können ein paar Europaletten o. ä. als Unterlage für die Positionierung des Detektors verwendet werden);
  • relativ hohe Effektivität und damit kurze Messzeiten, da der Detektor immer das ganze Gebinde sieht;
  • das Verfahren kann relativ einfach an verschiedene Behältertypen (zylindrisch, tonnenförmig, quaderförmig etc.) angepasst werden.

 

Nachteile

  • für eine korrekte quantitative Aktivitätsbestimmung müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein;
  • diese Bedingungen können durch die Messung nicht verifiziert werden, müssen folglich durch a priori Informationen oder andere Messverfahren (z. B. Radiographie, Tomographie) verifiziert werden können.

Wird die Messanordnung um einen Drehteller ergänzt, dann kann der Einfluss von (kleineren) Abweichungen von einer homogenen Verteilung des Materials und/oder der Aktivitäten durch Drehung des Messobjekts während der Messung reduziert werden, d. h. eventuell vorhandene Inhomogenitäten wirken sich in der quantitativen Auswertung der Messdaten im Vergleich zu einer stationären Punktmessung weniger stark aus, es findet eine Mittelung statt.

 

Anmerkungen:

  • Dieses Messverfahren entspricht einer „normalen“ Gamma-Messung, wird aber im Allgemeinen dem Bereich der segmentierten Messverfahren zugeordnet (Messung mit einem Segment und einem Sektor: Punktmessung).
  • Wird das Fass auf einen Drehteller gestellt und während der Messung kontinuierlich gedreht, dann kann der Einfluss geringer Inhomogenitäten auf das Ergebnis reduziert werden (Messung mit einem Segment und einem Sektor: Scheiben-Scan).
  • Wird eine Drehung um 360° in einzelne gleichgroße Abschnitte unterteilt und für jeden Abschnitt ein eigenes Gamma-Spektrum gemessen und gespeichert, dann kann durch die Auswertung der Einzelspektren eine grobe Aussage über die winkelabhängige Homogenität gemacht werden (Messung mit einem Segment und N Sektoren: Scheiben-Scan).
  • Wird anstelle eines Gamma-Detektors eine Dosisleistungsmesssonde verwendet, können bei bekannter Zusammensetzung der Radionuklide (d. h. Kenntnis des Nuklidvektors) aus dem Dosisleistungsmesswert die Aktivitäten berechnet werden.

Kollimierte Messung

Schematische Darstellung einer Gamma-Messung in kollimierter Geometrie
Schematische Darstellung einer Gamma-Messung in kollimierter Geometrie

In einer kollimierten Messung wird der Sichtbereich des Detektors durch einen Kollimator eingeschränkt. Abhängig von der Form des Kollimators (zylindrisch, rechteckig, konisch etc.) „sieht“ der Detektor in einer Position nur einen bestimmten Teilbereich des zu untersuchenden Objekts, d. h. der Detektor registriert nur Gamma-Strahlung, die von Radionukliden emittiert wird, die sich in diesem Teilbereich des Behälters befinden.

In der Praxis verlangt die Aufgabenstellung aber meist eine qualitative und eine quantitative Bestimmung des radioaktiven Materials im gesamten oder in einer oder mehreren Schichten des Behälters. Ein naheliegendes Verfahren hierfür ist, den Behälter an so vielen unterschiedlichen Positionen zu messen, dass die einzelnen Sichtbereiche den geforderten Bereich des Behälters vollständig abdecken.

Für das Anfahren der verschiedenen Messpositionen ist eine geeignete Mechanik mit Steuerung und Datenerfassung erforderlich (auch wenn prinzipiell eine manuelle Positionierung ebenfalls möglich wäre). Ein derartiges Messsystem wird als segmentierter Gamma-Scanner bezeichnet.

Abhängig von den Bewegungsmöglichkeiten der Achsen kann das Messobjekt auf unterschiedliche Arten „abgetastet“ (gescannt) werden. Den einzelnen Bewegungsabläufen (Scanmodi) werden spezielle Bezeichnungen zugeordnet. Das Anfahren der einzelnen Messposition kann diskret erfolgen (sogenannter Start-Stopp-Modus) mit Aufnahme der Messdaten in einer jeweils ruhenden Position, oder kontinuierlich, d. h. die Messdatenaufnahme erfolgt bei laufender Bewegung zwischen zwei Messpositionen, d. h. für ein Messintervall.

In jeder Messposition bzw. jedem Messintervall wird eine vollständige Gamma-Messung durchgeführt und das jeweilige Gamma-Spektrum (das sogenannte Einzelspektrum) gespeichert.

Für die qualitative Auswertung, d. h. die Identifikation der im Behälter enthaltenen Radionuklide, werden in der Regel alle Einzelspektren aufsummiert, und die im so erhaltene Summenspektrum vorhandenen charakteristischen Peaks identifiziert.

Wichtig:
Nach Abschluss der qualitativen Auswertung eines Spektrums muss jeder Peak identifiziert sein (Ausnahme: die spezifische Aufgabenstellung fordert etwas Anderes).

Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit der Auswertung der Einzelspektren. Hierdurch können unter Umständen noch charakteristische Linien von Radionukliden nachgewiesen werden, die im Summenspektrum durch Beiträge anderer Nuklide überlagert werden und somit nicht erkennbar sind. Allerdings ist in der Praxis die Messzeit für ein Einzelspektrum relativ kurz, weshalb die statistischen Unsicherheiten sehr groß sein können.

Die Speicherung der gemessenen Einzelspektren ermöglicht nach Beendigung der Messung die Erstellung von Ortsverteilungen (OVT) für die verschiedenen charakteristischen Linien der detektierten (identifizierten) Radionuklide und der Totzeitverteilung. Anhand dieser Verteilungen ist eine Aussage über die Homogenität der Aktivitäts- bzw. Matrixverteilung im Behälter möglich. Auf diesen Grundlagen können ein geeignetes Auswerteverfahren gewählt bzw. gegebenenfalls ergänzende Gamma-spektrometrische Messungen durchgeführt werden.

Abhängig vom gewählten Auswerteverfahren ist für eine quantitative Auswertung eine geeignete Effizienzkalibration erforderlich, welche die in der Messung bestimmte Zählrate Z für eine charakteristische Linie (d. h. eine Energie) eines identifizierten Radionuklids mit der zu bestimmenden Aktivität A des Radionuklids verknüpft. Für die Effizienzkalibration können

durchgeführt werden.

Vorteile:

  • das gesamte Messobjekt wird erfasst;
  • anhand der Ortsverteilungen sind (qualitative) Aussagen über die Homogenität der Aktivitäts- bzw. Dichteverteilungen möglich;
  • die Tozeitverteilung erlaubt Hinweise auf das Vorhandensein von Beta-Strahlern (Bremsstrahlung)
  • Auswahl eines geeigneten Auswerteverfahrens auf der Basis der OVT-Verteilungen;
  • (qualitative) Informationen für die zu unterstellenden Messunsicherheiten.

 

Nachteile:

  • erhöhter Aufwand für Hardware und Steuerung (Anschaffungskosten);
  • erhöhter Zeitaufwand für die Messung;
  • erhöhter Wartungsaufwand;
  • erhöhte Ansprüche an Bedien- bzw. Auswertepersonal